Airbnb unter die Lupe genommen

Schon mehrfach haben uns Anrainer_innen im 15. Bezirk darauf aufmerksam gemacht, dass sie in ihrer Nachbarschaft Appartmentvermietung im Wohnbestand beobachtet haben. Für uns hat das die  Frage aufgeworfen, welche Rolle solche Ferienwohnungen für Wiener Mieter_innen spielen, und ob dadurch Verdrängungsmechanismen (Stichwort: Gentrifizierung) verstärkt werden. Wir haben uns die Daten der Online-Vermittlungsplattform Airbnb näher angeschaut.

Zusammenfassung:

Es gibt eine kommerzielle Nutzung der Plattform, da durch die Vermietung von Wohnungen als Ferienwohnung höhere Mieteinnahmen lukriert werden können, als durch reguläre Vermietung. Dadurch werden dem Wohnungsmarkt Mietwohnungen entzogen.
Doch viele der Angebote stammen von Nutzer_innen, die selbst eine hohe Miete zahlen müssen, und die Untervermietung als Möglichkeit sehen, diese Kosten abzudecken. Plattformen wie Airbnb bieten daher eine individuelle Bewältigungsstrategie für das strukturelle Problem der zu hohen Mietkosten in Wien. Insgesamt bieten solche Vermittlungsplattformen daher für Wohnungseigentümer sowohl direkt als auch indirekt die Möglichkeit, ihre Gewinne zu erhöhen. Sie sind daher als ein Mechanismus innerhalb eines insgesamt zu kritisierenden Marktes für Wohnraum zu verstehen. Dass es kaum mehr leistbare Wohnungen gibt, die Mieten weiter steigen und es keinen ernstzunehmenden sozialen Wohnbau gibt, hat mit Airbnb nichts zu tun.

Untervermietung in Zeiten steigender Wohnkosten

Schon mehrfach haben uns Anrainer_innen im 15. Bezirk darauf aufmerksam gemacht, dass sie in ihrer Nachbarschaft temporäre Appartmentvermietung im Wohnbestand beobachtet haben. Aktuell gibt es auch in anderen Städten (z.B. Berlin) Debatten darüber, welche Auswirkungen solche Ferienwohnungen auf den Wohnungsmarkt haben. Die größte Plattform, um Privatvermietungen zu vermitteln, ist das Onlineportal Airbnb. Dieses steht oft in der Kritik von Mietrechtsaktivist_innen, da durch die Umwandlung von Mietwohnungen in lukrativere Ferienwohnungen eine Verdrängung von Bewohner_innen gefürchtet wird. Auch der Stadtregierung in Wien ist die Online-Vermittlung von Ferienwohnungen ein Dorn im Auge, allerdings vor allem, weil ihr dadurch einiges an Tourismusabgaben durch die Lappen geht. So dürfte eine eigene Gesetzesnovelle für Herbst 2016 geplant sein, die Onlineplattformen zur Offenlegung ihrer Nächtigungsdaten zwingen soll[i].

Uns hat die laufende Debatte dazu veranlasst, uns die Daten über Airbnb näher anzuschauen. Uns interessiert dabei vor allem die Fragestellung, welche Rolle diese Privatvermietungen für Wiener Mieter_innen spielen, und ob dadurch Verdrängungsmechanismen (Gentrifizierung) verstärkt werden.

Eine Studie zur Mietpreisentwicklung der Arbeiter_innenkammer zeigt, dass im Zeitraum zwischen 2008 und 2014 die Bruttomieten in Wien um 24% angestiegen sind[ii]. Die Löhne stiegen in diesem Zeitraum nur um 13%. Eine logische Konsequenz ist, dass für viele das Bezahlen der Miete immer schwieriger wird. Dieser finanzielle Druck durch die Hauseigentümer_innen hat für Mieter_innen eine Senkung der Lebensqualität zur Folge. Zunächst werden die Ausgaben zur Abdeckung persönlicher Bedürfnisse reduziert, wenn das nicht weiter möglich ist, folgt nicht selten eine physische Verdrängung. Die äußert sich durch Zwangsräumungen bei ausstehenden Mieten, oder durch das Abwandern in strukturschwächere Wohngebiete am Stadtrand, in denen die Mieten noch niedriger sind. Eine Reduktion der Wohnfläche durch Umzug in kleinere Wohnungen, oder das Teilen der Wohnfläche in Form von Wohngemeinschaften sind andere Bewältigungsstrategien.

Auch das Generieren eines Zusatzeinkommens durch teilweise Untervermietung der eigenen vier Wände kann dazu beitragen, steigende Mietkosten abzudecken. Plattformen wie Airbnb, die Mieter_innen unkompliziert eine temporäre Untervermietung ermöglichen, können hier hilfreich sein. Darauf baut auch die Marketingstrategie von Airbnb auf, die immer wieder den Charakter des „Teilens“ hervorhebt und Airbnb als Teil einer „sharing economy“ sieht (Für eine ausführliche Kritik daran fehlt hier der Platz, es sei aber auf einen Artikel von Stefan Meretz verwiesen: http://keimform.de/2014/shareconomy-die-neue-einhegung-des-teilens/). Von diesen Möglichkeiten der Plattform können nicht alle gleichermaßen profitieren. Zum einen sind geübter Umgang mit Internet und Englischkenntnisse ausschlaggebend für eine erfolgreiche Vermietung. Zum anderen Bedarf es ausreichenden Freiraums in der Wohnung und/oder der Möglichkeit temporär woanders unterzukommen, um eine Untervermietung in Betracht ziehen zu können. Beides trifft vor allem auf das bildungsbürgerliche und studentische Milieu zu. Somit können Einige auf Grund ihrer sozialen Position marktfähige Angebote schaffen undetwas dazuverdienen oder zumindest einen Teil ihrer überteuerten Miete wieder einspielen. Der großen Mehrheit – der laut neoliberalem Neusprech nicht so „innovativen“ bleibt diese Möglichkeit verwehrt.

Eine Kehrseite solcher Plattformen ist, dass sie natürlich auch mit dem Interesse genutzt werden, aus Eigentum an Wohnraum zusätzlichen Profit zu schlagen. Auf Airbnb stammen 37 % der Angebote von Anbieter_innen mit mehr als einem Angebot, und in zwei Dritteln der Angebote wird die gesamte Wohnung untervermietet. Das deutet darauf hin, dass ein beträchtlicher Anteil der Angebote auf Airbnb von Anbieter_innen mit kommerziellem Interesse stammt. Es gibt 87 Anbieter_innen in Wien, die mehr als 5 Unterkünfte anbieten. Absoluter Spitzenreiter auf Airbnb ist „Vienna Living“, die 58 Appartements anbieten.

Der durchschnittliche Preis pro Tag liegt bei 83 € für Appartements und bei 41 € für Zimmer. Wobei hier starke regionale Unterschiede bestehen. Im teuren 1. Bezirk liegen die Durchschnittspreise bei je 146 € und 68 €. InsideAirbnb zieht Kriterien wie Anzahl der Nutzer_innen-Kommentare, sowie Verfügbarkeit der angebotenen Unterkunft heran, um eine Abschätzung zu treffen, hinter welchen Angeboten ein kommerzielles Interesse liegen könnte. Demnach ist bei knapp einem Viertel der Angebote (23,5%) ein kommerzielles Interesse zu vermuten. Durch diese (vermutlich) kommerziellen Angebote kann über Airbnb ein durchschnittliches Einkommen von 917 € pro Monat und Appartement lukriert werden. Die Mieteinnahmen einer durchschnittlichen Wohnung (72,4m² und 5,91 €) im Privatsektor in Wien liegen im Vergleich dazu bei  428 €. In Stadtteilen mit steigenden Mieten können daher Portale wie Airbnb einen zusätzlichen Anreiz bieten, Mietparteien zu kündigen, wenn die Gewinnspanne zwischen einer Mietwohnung mit altem Mietvertrag und temporärer Appartementvermietung an Tourist_innen hoch ist.

Regionale Verteilung

Die in Airbnb angebotenen Unterkünfte entsprechen ca. 0,5% des Wiener Wohnungsbestandes. In einigen Bezirken – vor allem der Inneren Stadt (2,5%), den Gebieten innerhalb des Gürtels und dem 15. Bezirk liegt dieser Anteil deutlich über dem Wiener Durchschnitt (siehe Abbildung 1). In absoluten Zahlen sind die Top 5 Bezirke mit den meisten Nächtigungen Leopoldstadt, Landstraße, Alsergrund, Neubau und Rudolfsheim-Fünfhaus.

airbnb-anteil nach bezirk

Abbildung 1: Anteil der Airbnb-Angebote am Wohnungsbestand nach Bezirken in Prozent

Der Hauptfaktor der Verdrängung sind steigende Mieten und fehlende leistbare Wohnungen. Bei einem geringen Angebot fallen zusätzliche Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen oder Appartments natürlich ins Gewicht, und können lokal die Wohnungsknappheit noch verschärfen. Aus der statistischen Betrachtung lässt sich keine Schlussfolgerung ableiten, ob Airbnb und Co. einen starken Einfluss auf die Verdängung von Mieter_innen haben. Fakt ist, dass dadurch Mietwohnungen dem Wohnungsmarkt entzogen werden. Doch nicht auf jede Ferienwohnung trifft das zu, sondern teils tragen die Einnahmen durch Untervermietung auch zur Finanzierung hoher Mietkosten bei. So oder so bietet sich für Wohnungseigentümer_innen eine zusätzliche Möglichkeit, ihre Gewinne zu erhöhen. Das gilt es weiterhin kritisch zu beobachten. Den Hauptfokus der Kritik auf Vermittlungsplattformen wie Airbnb zu richten, birgt allerdings die Gefahr, die dahinterliegenden strukturellen Probleme (Wohnraum als Ware am kapitalistischen Markt) aus den Augen zu verlieren. Airbnb ist also besser als ein Mechanismus innerhalb eines insgesamt zu kritisierenden Marktes für Wohnraum zu verstehen. Dass es kaum mehr leistbare Wohnungen gibt, die Mieten weiter steigen und es keinen ernstzunehmenden sozialen Wohnbau gibt, hat mit Airbnb nichts zu tun.

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[Als Ausgangsbasis für die Recherche dienen Daten, die auf dem Portal Inside Airbnb veröffentlicht wurden. In dem für die Analyse verwendeten Datensatz vom 18.Juli 2015 fanden sich 4961 Angebote in ganz Wien. In einem Standard-Artikel vom Mai 2016i beläuft sich eine Schätzung bereits auf 6000 Angebote. Die Plattform besteht erst seit 2008, und die Zahl der Nutzer_innen nimmt stets zu. Es ist also davon auszugehen, dass der von uns verwendete Datensatz das Ausmaß von Airbnb in Wien leicht unterschätzt. Die Seite selbst (http://insideairbnb.com/vienna/) bietet einen guten Überblick über die Verteilung von Vermietungsangeboten in Wien und wesentliche Kennzahlen. Für Berlin ist eine detaillierte Analyse der Aktivitäten von Airbnb, die ebenfalls auf der statistischen Analyse von Nutzer_innendaten basiert, hier zu finden: http://www.airbnbvsberlin.de/.]

Rechtliche Zusatzinfo:

Bei der gewerblichen Nutzung einer Wohnung ist eine Gewerbeberechtigung erforderlich. Zudem ist für die Vermietung einer Eigentumswohnung als Ferienwohnung die Zustimmung aller Miteigentümer_innen erforderlich (die der anderen Mieter_innen im Haus nicht). Bei Mieter_innen, die ihre Wohnung untervermieten, sind die rechtlichen Möglichkeiten weiter eingeschränkt: So darf die Wohnung nicht zur Gänze untervermietet werden und kein unverhältnismäßig hoher Untermietzins verlangt werden, andernfalls wären das Kündigungsgründe. Viele der Angebote auf Airbnb finden daher in einer rechtlichen Grauzone statt, oder sind schlicht illegal.

sonstige Quellen:

[i] http://derstandard.at/2000037632490/Airbnb-Wien-plant-strengere-Regeln-ab-Herbst

[ii] https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/Mietensteigerungen_in_Wien_und_Oesterreich.pdf

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